Ein Jahr vor Olympia: Bach und Co. im Russland-Dilemma

Am Mittwoch ist es genau ein Jahr bis zur Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris. Doch bis dahin wird vor allem die Russland-Frage die Sportwelt beschäftigen.

Berlin (SID) 24 Stunden wurden Thomas Bach geschenkt. Wenn der IOC-Präsident die Jugend der Welt am Mittwoch nach Paris einlädt, bleiben 366 statt 365 Tage bis zur spektakulären Party auf der Seine - 2024 ist bekanntlich ein Schaltjahr. Und doch wird die Zeit knapp. Während in Frankreichs Hauptstadt eifrig für die Olympia-Eröffnungsfeier mit über 100 Booten und 400.000 Zuschauern geprobt wird, beschäftigen Bach und Co. zahlreiche Probleme. Allen voran die Russland-Frage.

Noch ist die Teilnahme der "neutralen" Sportler aus Russland und Belarus in Paris nicht offiziell, noch warten das Internationale Olympische Komitee (IOC) und Präsident Bach ab. Doch der Weg ist bereitet, und so droht ein Boykott der Ukraine. Ein Szenario, an das Bach jedoch nicht glaubt. "Stellen Sie sich vor: Die ukrainische Mannschaft auf der Seine, 400.000 an den Ufern und mehr als eine Milliarde am TV", so Bach. "Das ist ein Moment, den sich die Ukraine nicht entgehen lassen wird."

Sollte es dennoch zum Boykott kommen, ginge davon ein verhängnisvolles Zeichen aus. Das weiß auch Bach, der jedoch lieber betont, wie reibungslos die Ko-Existenz der Sportlerinnen und Sportler aus den verfeindeten Nationen im Weltsport funktioniere. Auf den Ernstfall sieht er das IOC vorbereitet.

"Wir werden von Russland beschimpft - bis hin zu Nazivorwürfen. Wir sehen die Unzufriedenheit der ukrainischen Führung", sagte Bach kürzlich, ehe er am Mittwoch in Paris die feierlich offizielle Einladungszeremonie begehen wird: "Aber ich bin sehr, sehr zuversichtlich, dass wir das in Paris bewältigt und eine äußerst breite Beteiligung haben werden."

Für die ukrainischen Sportler ist das Boykott-Szenario derweil omnipräsent. "Ich hoffe, dass weder das IOC noch die französische Regierung uns zwingen werden, eine schwierige Entscheidung zu treffen: die Spiele zu boykottieren oder denen die Hand zu reichen, die das Blut von Ukrainern an sich haben", sagte Olga Saladucha, frühere Dreisprung-Weltmeisterin der französischen Nachrichtenagentur AFP. Sie bezeichnete einen Olympia-Boykott als "letztes Mittel".

Ferner schlug die 40-Jährige vor, Russen und Belarussen zuzulassen - sofern sie eine Anti-Kriegserklärung unterschrieben. "Sie sollten Putins Krieg verurteilen. Danach können diejenigen, die ein solches Dokument unterschreiben, ein Flüchtlingsteam bilden und bei den Olympischen Spielen antreten", sagte Saladucha. Weitspringerin Maryna Bech-Romantschuk sprach sich gegen einen Boykott aus. "Wir sollten dasselbe tun, was unsere Armee tut: unser Land verteidigen", sagte die Vize-Weltmeisterin von 2019.

Die Causa Russland ist ein Jahr vor Beginn der Sommerspiele jedoch nicht die einzige Baustelle, obwohl Bach zuletzt optimistisch klang. "Die Erwartungen für Paris sind groß - in jeder Hinsicht", sagte er bei einem Heimatbesuch in Hamburg. Der 69-Jährige sprach von Olympia als urbanem Festival, das "nicht wie ein Raumschiff landet und dann wieder weg ist, sondern ein Teil der gesamten Gesellschaft wird".

Eine schöne Vorstellung, nicht mehr. Die Unruhen in Frankreich werfen ernsthafte Fragen auf. Sicherheitsbedenken für die in der Olympia-Geschichte einzigartige Eröffnungszeremonie am 26. Juli im Herzen der Stadt gibt es schon lange, mittlerweile ist die Gesellschaft tief gespalten. Die Wut nach dem tödlichen Schuss eines Polizisten auf einen Jugendlichen ebbte nur langsam ab. Doch Bach glaubt trotz aller Widrigkeiten weiterhin an die einende Kraft der Spiele.

SID fk us

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